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Multi-Divo (Berolina)

Auftragsrestaurierung

Hersteller: Ernst Schuster, Berlin
Baujahr: unbekannt
Seriennummer: 10083
Funktion: Vierspezies-Sprossenradrechenmaschine, 9x8x13, ohne Sperrvorrichtungen, Zehnerübertrag bis zur letzten Stelle.
Beschreibung: Die "Multi-Divo" ist eine Exportversion der "Berolina Standard 13" für Schweden und ev. andere skandinavische Länder.

Die ersten "Berolina" erschienen 1901 auf dem Markt, nachdem Ernst Schuster seine Generalvertretertätigkeit bei Grimme, Natalis und Co. ("Brunsviga") beendet hatte. Schuster war eher Kaufmann, hatte mit der "Schuster"-Brunsviga versucht, einen eigenen Kundenstamm aufzubauen und gewann Christel Hamann für neue Patente. Es gab Kurbeln für den Schlittentransport und die Resultatwerkslöschung, außerdem Direkteingabemöglichkeit im RZW und mehr. Eine frühe "Berolina" (Modell "Standard 20", 10x10x20) ist bei Martin Reese (S. 54) und bei "Rechenmaschinen-Illustrated" abgebildet.

Es ist nicht genau bekannt, ab wann Ernst Schuster ein 13-stelliges Modell fertigte und mit dem Export nach Skandinavien begann. Martin Reese gibt als Exportbeginn das Jahr 1923 an, doch das Fehlen wesentlicher Sperrvorrichtungen und einige andere Merkmale sprechen eher dafür, dass die Maschinen früher gebaut wurden. Die Bleche der Exportmodelle erhielten die Namen "BIS" oder "Multi-Divo", möglicherweise gab es auch "No-names". An technischen Neuerungen ist äußerlich nur noch der Berolina-typische Kurbeltransport des Schlittens erkennbar. Die meisten dieser Varianten sind bei "Rechenmaschinen-Illustrated" abgebildet.
Möglicherweise war die ursprüngliche "Berolina" zu teuer oder aus anderen Gründen nicht sehr erfolgreich, es fällt jedenfalls auf, dass Ernst Schuster sich mit den Modellen der "Standard 13" ab ca. SN 1000 und den Exportversionen weit hinter die Verbesserungsansprüche der ursprünglichen "Berolina" zurück begab. Technisch gesehen konnten sie mit den Brunsviga- und Triumphatormodellen aus der Zeit kaum mithalten.
Die Serie der Exportmodelle erhielt offensichtlich eine eigene Seriennummerierung, die bei 10000 begann. Die SN von vier mir bekannten "BIS" und "Multi-Divo" reichen von 10004 bis 10083. Vielleicht wurden nicht viel mehr als 100 dieser Maschinen gebaut.

Martin Reese berichtet, dass die Variante der klassischen "9x8x13" - Ausführung gegen Bedienungsfehler gesichert war. Für diese "Multi-Divo" trifft das allerdings nicht zu. Die Maschine ist einfach konstruiert und besitzt (mit einer Ausnahme) keine der damals üblichen Sperrvorrichtungen, was bereits bei den Berolina-Modellen auffiel (siehe Martin Reese). Weder die Trommel noch deren Stirnzahnrad für den Umdrehungszähler waren dem Standard entsprechend gesichert. Schuster hatte 1907 ein Patent zu einer recht umständlichen Sicherung der Einstellung bei Kurbeldrehung erhalten (Patent DE205794). Es ist erkennbar, das dieser Mechanismus ursprünglich eingebaut und dann wieder entfernt wurde. Mehr dazu bei den Fotos.
Diese "Multi-Divo" wurde nach Schweden exportiert, interessanterweise über den gleichen Vertrieb ("Hadar Schmidt", Stockholm), der auch die damals noch in St. Petersburg gebauten Original-Odhner importierte.

Es handelte sich um eine Auftragsrestaurierung, für die ich nur die Lacke und die blanken Teile aufarbeiten sollte, doch ist es mir nicht möglich, eine seltene Maschine nicht genau zu untersuchen und auch zu reparieren ...
Die "Multi-Divo" war defekt. Der Umdrehungszählfinger hatte sich gelöst und lag lose im Gehäuse; Einstellscheiben waren nach innen verbogen. Wesentlich schlimmer war jedoch ein mit Brachialgewalt völlig verdrehter Zehnerübertragshebel in einem der Sprossenräder (siehe Fotos unten). Die Nase eines Schlittenübertraghebels war abgebrochen und vom damaligen Service durch einen Draht (!) ersetzt worden war, andere zeigen starke Dellen (siehe Foto unten). All das ist als Folge der fehlenden Schlitten- und Trommelsperre zu deuten. Vermutlich war auch einmal die Passfeder der Achse beschädigt worden, denn sie war um ca. 1 mm schmaler geschliffen worden; das Ergebnis war ein höheres Spiel der Sprossenräder. Ganz offensichtlich war der schwedische Service mit der Maschine überfordert, er hatte weder Ersatzteile noch konnte er präzise ausrichten. Doch wichtiger ist wohl, dass die "Standard 13" prinzipiell zu anfällig gegen Bedienungsfehler und Folgeschäden war. Martin Reese berichtet von damaliger fachlicher Kritik an der "Berolina", diese "Multi-Divo" zeigt, wie berechtigt das war, und die "Berolina" war auch nicht sonderlich erfolgreich.

Die technischen Schäden wurden repariert. Das Trommelblech war stark korrodiert und wurde neu lackiert. Die übrigen Lacke und Metallteile wurden nur poliert.



Anmerkungen:
Links intern:
Links extern:
Literatur: Martin Reese, S. 53 f.
Martin S, 138 f. (Martin erwähnt die ursprüngliche "Berolina" mit 10x10x20 Stellen nicht, sondern nur die "Standard 13". Er schreibt von einer "Doppelnullstellung" und meint damit die Möglichkeit, beide Zählwerke durch die rechte Löschkurbel auf Null zu stellen. Zumindest die "Multi-Divo" verfügt nicht über eine derartige Löschung.)
Download:



Die "Multi-Divo" vor der Restaurierung. Die Hauptkurbel ließ sich nur etwa eine halbe Umdrehung bewegen, danach blockierte sie. Man erkennt bei genauem Hinsehen, dass der Einstellhebel Nr. 5 leicht nach hinten verschoben ist - sehr ungewöhnlich.



Nach Abnahme des Trommelblechs: Der Zehnerhebel von Sprossenrad Nr. 5 war aus seiner Führung gedrückt und verbogen (unterer Pfeil). Dadurch stieß er bei der Kurbeldrehung auf die Nase des Übertragshebels am Schlitten. Bei der Verbiegung, die große Kraft erfordert haben muss, wurde des gesamte Sprossenrad nach hinten verdreht (oberer Pfeil). Dies war möglich, weil die Passfeder der Trommelachse dünner geschliffen war (vermutlich wegen eines früheren, ähnlichen Schadens) und keine korrekte Stellung des Sprossenrades mehr garantierte.


Foto rechts:
In der Mitte der Schlitten-Übertraghebel, dessen Nase durch den Hebel der Trommel (siehe oben rechts) brach und durch einen Drahtbügel ersetzt wurde. Die Pfeile zeigen auf die benachbarten Nasen, die ebenfalls Lädierungen aufweisen: Das geschieht, wenn die Schlittentransportsicherung fehlt und der Schlitten während der Hauptkurbeldrehung nicht in korrekter Stellung liegt. Diese wechselseitige Sicherung von Schlitten und Kurbel war übrigens eine der ersten Sperren, die bei den Brunsviga auftauchte. Die Schlitten-Zehnerhebel der Multi-Divo sind übrigens noch aus Messing - ein Hinweis auf eine eher frühe Herstellung der Maschine.





  

Einer der vernickelten Messing-Einstellringe. Als besonderes Merkmal erkennt man eine Zahnreihe (Pfeil), radial unterhalb des Einstellhebels. Dies ist ein Bestandteil der Einstellsperrvorrichtung, die sich Schuster patentieren ließ, die jedoch ausgebaut worden war (rechte Skizze: Ausschnitt aus der Patentschrift).
Der Grund für den Ausbau war offensichtlich. Der äußere Ring war im Bereich des Einstellhebels bei drei Sprossenrädern nach innen gedrückt. Es genügt relativ wenig Druck, um diesen dünnen, äußeren Ring zu biegen, es reicht, wenn z.B. ein Buch auf die Maschine fällt. Damit wird der in den Schlitz hineinragende Teil der Sperrvorrichtung (Skizze: Pfeil, Nr. 18) eingeklemmt, und die Maschine blockiert. So aufwändig und fehleranfällig die Einstellsperre war, man sparte damit immerhin Lizenzgebühren für die Patente der Großen auf dem Markt. Doch bleibt unklar, weshalb man mit dieser einen Sperre so viel Aufwand betrieb und andererseits Drehrichtungssperre und vor allem die wechselseitige Schlitten- und Trommelsperre wegließ.
Im Gehäuse ist der untere Tragebolzen "8" noch montiert und zeigt Benutzungsspuren, also gab es diese Sperre tatsächlich in der Maschine.



Ernst Schuster bzw. Christel Hamann, der zumindest für die "Berolina" als Konstrukteur zeichnete, erkannten früh das schlechte Gleitverhalten der klassischen Sprossen - dies habe ich an anderer Stelle ausführlich diskutiert. Die Sprossennasen der "Multi-Divo" (Foto) wurden wesentlich stärker angeschrägt als die der Brunsviga und gleiten deutlich besser.


Der Schlittentransport, von der Schlittenseite her gesehen. Der rotierende Stift bewegt den an der Zahnstange befestigten Schlitten, es handelt sich also um eine Triebstockverzahnung mit einem Zahn. Sehr einfach und robust, doch nicht so schnell zu bedienen wie die bald aufkommenden "Schalter" (Brunsviga und Triumphator). Man erkennt übrigens, dass viele Teile abweichend gemarkt sind (hier mit 97).





Abb. links:

Die Pfeile zeigen auf die Stellen, an denen die ausgebaute Sperrvorrichtung für die Einstellung montiert war. Oben die Lagerung für die Achse (Skizze links oben, Nr. 18), in der Mitte der Auslass für die Zugstange, die von der Kurbel gesteuert wurde (Skizze Nr. 6), unten der Bolzen für die Umlenkvorrichtung (Skizze Nr. 8).